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Ess- und Brechsucht

Abhängig vom Essen?

Beim Thema Essen geht es um Leben und Tod. Ohne zu essen kann ein Mensch nicht leben. Essen ist keine Droge, aber zu viel und zu wenig Essen sind extreme Gefühle. Von jedem extremen Gefühl kann man abhängig werden. Also gibt es auch Formen von Mißbrauch beim Essen.

 

Was heißt hier Mißbrauch?

Wer hungert, um ja kein Gramm zuzunehmen, während die Umgebung ihn ganz normal findet, dessen Eßverhalten ist gestört.

Wenn eine Diät die andere ablöst, der Körper nach seinem Recht nach Nahrung verlangt, dann entsteht plötzlich ein Zwang, ganz viel auf einmal zu vertilgen. Bis zu 20000 Kalorien verschlingen Eßsüchtige in kürzester Zeit. Die können sie bei ihrer Angst, dick zu werden, jedoch nicht bei sich behalten. Sie spucken sie wieder aus. Zu der Eßsucht ist noch eine Brechsucht gekommen. Eß- und Brechsüchtige wissen ständig, wo die nächste Toilette ist, um ja jedes einzelne Gramm wieder direkt loszuwerden.

In der Medizin ist es umstritten, ob es sich bei der Eß- und Brechsucht (Bulimie) um eine Sucht handelt oder um eine neurotische Ausprägung. Suchtparallelen gibt es in jedem Fall. Wer dagegen mit Freude ißt, sobald der Hunger da ist und merkt, wann die Sättigung erreicht ist, den Abstand zwischen den Mahlzeiten einhalten kann, ohne etwas zu essen, der oder die gehört nicht zu den Eßgestörten.

 

Zahlen und Fakten

90 Prozent aller an Eß- und Brechsucht Erkrankten sind Mädchen und Frauen. 2 bis 4 Prozent aller Frauen neigen zur Eß- und Brechsucht. Der Krankheitsbeginn liegt meistens vor dem zwanzigsten Lebensjahr, die Krankheit bildet sich überwiegend in der Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren heraus. 60 Prozent haben Abitur, also einen hohen Bildungsgrad.

Man sieht ihnen ihre Krankheit nicht an, sie sind normalgewichtig und finden sich dennoch zu dick. Manche haben mindestens drei Kleidergrößen im Schrank, weil sich ihr Gewicht häufig verändert. Manchmal von Größe 38 bis Größe 46.

Eßsüchtige leiden unter Hungerattacken, denen sie nicht widerstehen können. Die Anfälle sind erst beendet, wenn der Heißhunger wieder verschwunden ist. Die Anfälle treten fast täglich auf und dauern von einer Viertelstunde bis zu vier Stunden. Während dieser Zeit vertilgen Eßsüchtige alles, was im Kühlschrank ist, essen Würste, Brote, Butterstücke, Pralinen schachtelweise, Brathähnchen, Büchsen Keks, eben alles, was die Familie an Vorräten hat. Eßsucht ist eine teure Krankheit und führt zu ständigen Auseinandersetzungen mit den Angehörigen, denn denen wird ja alles weggegessen. Im Anschluß an die Freßorgie wird der Inhalt wieder ausgebrochen. Zwei Drittel aller Eß- und Brechsüchtigen übergeben sich täglich ein bis zwei Mal und ein Drittel wiederholt das bis zu sechs Mal.

Neben dem Brechen nehmen viele der Eß- und Brechsüchtigen Abführmittel ein und zwar bis zu 300 Stück pro Woche. Bei einigen kommen noch Appetitzügler hinzu, so daß zusätzlich eine Medikamentenabhängigkeit entsteht.

 

Hinweise auf Eß- und Brechsucht

Bulimische Mädchen und Frauen stehen unter einem hohen Leidensdruck.

Die Betroffenen verbergen ihren Essensmißbrauch, so lange es irgend geht, sie verhalten sich wie Süchtige. Sie tun dies, weil sie sich schämen. Sie essen bzw. erbrechen möglichst, wenn sie allein zu Hause sind.

Ein verändertes Eßverhalten kann ein Signal sein. Der Kreislauf Essen-Erbrechen-Essen wiederholt sich mehrfach am Tag. Damit niemand das Erbrechen mitbekommt, lassen die Bulimieopfer die Spülung laufen oder das Radio.

Eß- und Brechsüchtige isolieren sich selbst, ziehen sich aus Freundschaften und Aktivitäten mit Gleichaltrigen zurück. Auffällig:
•Neigung zur Depression
•Unruhe Konzentrationsschwäche Unlust oder umgekehrt
•übersteigerte Aktivität unerklärliche Aggression.

 

Ursachen und Entstehung

Essen und Brechen bedeuten Ekel.

Eß- und Brechsüchtige ekeln sich vor sich selbst und bekämpfen das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit mit untauglichen Mitteln. Ein niedriges Selbstwertgefühl ist eine der Voraussetzungen für das Entstehen einer Eß- und Brechsucht. Meist liegen dahinter ungelöste Konflikte aus der Kindheit, also schmerzhafte Gefühle, vor denen sich die Betreffende durch Essen bzw. das nicht dick werden, schützen will.

Häufig haben auch die Mütter Diäten gemacht Jede Diät kann zur Einstiegsdroge in die Eßsucht werden. Es gibt über 500 Diäten am Markt; es dauert also, bis alle durchprobiert sind.

 

Verlauf und Folgen

Zu den körperlichen Folgen des Erbrechens bzw. des Mißbrauchs von Abführmitteln zählen:
•Herzrhythmusstörungen
•bleibende Nierenschädigungen
•geschwollene Schilddrüsen
•Magnesium- oder Kaliummangel
•Verletzungen der Speiseröhre
•Diabetes und
•Bluthochdruck-Krankheiten.

Weitere Folgen sind:
•Karies
•Magenerweiterung bis zum Zwerchfelldurchbruch des Magens
•gerissene Magenwände
•Wassereinlagerungen in den Gelenken
•Störungen bzw. Ausbleiben der Menstruation.

Ein hoher Anteil der Opfer von Bulimie sind suizidgefährdet. 20 Prozent der Eßgestörten dieser Art unternehmen einen Selbstmordversuch.

 

Behandlung

Im Gegensatz zum Alkohol und anderen stofflichen Drogen kann man nicht auf Essen verzichten.

In Therapien wird deshalb vor allem am Selbstwertgefühl gearbeitet und nach den Gefühlen gesucht, die hinter der Sucht verborgen liegen. In Selbsthilfegruppen wird unter den Betroffenen nach Wegen gesucht, nicht süchtig zu essen.

 

Sucht hat immer eine Geschichte

Sucht hat nie eine einzige Ursache: Die Persönlichkeit und die Umwelt, in der ein Mensch aufgewachsen ist oder lebt, entscheiden darüber, ob der Mensch einer Suchtgefahr standhalten kann oder nicht. Das Zusammentreffen mehrerer negativer Erlebnisse belastet jeden Menschen. Wer viele Möglichkeiten kennengelernt hat, Probleme zu bewältigen, ist weniger gefährdet, in eine Sucht zu flüchten.

Eine der Ursachen für das Entstehen einer Eß- und Brechsucht ist ein falsches Eßverhalten in der Familie.

Essensprobleme werden als die Sucht der Braven bezeichnet. Kinder durften heftige Gefühle zu Hause nicht ausleben. Sie mußten ihren Teller leer essen.

 

Vorbeugung

Suchtvorbeugung muß in der Kindheit beginnen. Hier entwickelt sich das Selbstwertgefühl. Schon das Kind kann lernen, mit Problemen angemessen umzugehen und sein Leben aktiv zu gestalten. So gestärkt kann es später einer Suchtgefahr besser standhalten.

Suchtvorbeugung heißt: Selbständigkeit, Selbstachtung, Selbstfindung und Lebensfreude bei Kindern fördern, Kommunikations- und Konfliktfähigkeiten stärken. Der Aufbau der Ich-Stärke ist zentrales Ziel suchtvorbeugender Arbeit in NRW. Damit Kinder und Jugendliche gerade in schwierigen Lebenssituationen eigenständig entscheiden können, ‚Nein‘ zu sagen und Verantwortung (für sich und ihr Handeln) zu übernehmen.

Das elterliche Vorbild ist wichtig. Aber Körper- und Essensvorstellungen der Eltern sollten nicht auf die Kinder übertragen werden.

Ein gutes Körpergefühl und ein gesundes Selbstbewußtsein sind die beste Prävention gegen Bulimie.

Hinweis:

Teile des Inhalts oder etwaige Grafiken entstammen folgender Quelle: Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen. Lexikon der Süchte http://www.fah.nrw.de/08-Infothek/01-Downloads_A-Z/S/Suchtpraevention_Lexikon_der_Suechte.pdf