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Der Autor Alexander Wendt arbeitet seit 1989 als Journalist für verschiedene Zeitungen (Stern, Tagesspiegel, Focus etc.) und verfasste mehrere Sachbücher und literarische Texte.

In seinem aktuellen Buch „Kristall“, leitet er uns spielerisch durch die Geschichte der Substanzentwicklungen. Er erinnert an die jahrtausendealte Lust von Mensch und Tier an Rauscherlebnissen und verweist dabei auf die Zunahme des Konsums von legalen und illegalen Substanzen durch ihre Verfügbarkeit. Zusätzlich zitiert er Beispiele aus der Kunst, Literatur und Mythologie um deutlich zu machen, dass sich der Mensch schon immer von Göttern und/oder Teufeln verleiten lässt, um durch die Einnahme von Substanzen einen befristeten Gewinn zu erleben. Den gibt es leider nicht umsonst.

Der Wunsch nach Rausch ist also ein Bestandteil des Lebens. Drogen berauschen und haben somit immer etwas mit Lust und Spaß zu tun. Der Konsument bzw. die Konsumentin hat einen lebensnahen Gewinn – beispielsweise neue psychedelische Erfahrungen, das Gefühl von Freiheit und Abenteuer, Ruhe und Entspannung, Gewichtsbeeinflussung und/oder Lust- und Aktivitätssteigerung. Doch jeder Konsum, jede dadurch gewonnene Erkenntnis hat ihren Preis – innere Unruhe, psychische Fehlentwicklungen, Kontakt zur Justiz, Gedächtnislücken, körperliche Ausfallerscheinungen, verkürzte Lebenszeit, Lust auf mehr. Und billigend nehmen die Verbraucher die Folgen in Kauf – getreu dem Country Song aus dem Jahr 1955 von Faron YoungLive fast, love hard, die young“.

Um die Bevölkerung vor negativen Wirkungen verbotener Substanzen zu schützen, reagiert die Politik in Teilen mit Prohibitionsmaßnahmen. Auch diesem Thema stellt sich der Autor vielfältig und geht verschiedenen Fragen nach wie etwa „Warum sind bestimmte Substanzen/Drogen verboten, andere erlaubt?“ oder „Welchen Einfluss haben Verbote auf Gesellschaften, Konsumenten, Anbieter und die Politik.“

Das liest sich flüssig, eingängig und verständlich, eingebettet in vielfältiges Hintergrundwissen – von der amerikanischen Alkoholprohibition (1920 bis 1933), über den LSD Erfinder Albert Hofmann bis hin zu Timothy Leary und seine Bedeutung für den „Summer of love“. Er beschreibt den Görlitzer Park als „Toleranzzone“ und gewährt einen Blick auf Länder, „die Drogen nicht mehr generell unterdrücken“ und deren Erfahrungen damit.

Wendt beschreibt den Kreislauf von Anbau, Forschung, Handel, Vertrieb, Endverbraucher, strafrechtliche Verfolgung und biotechnologischer Weiterentwicklung. Deutlich wird, dass der „War on drugs“ schon seit Jahren verloren wurde. Doch  „solange das Geld der Endverbraucher zu den Kartellen strömt, geht dem System der eigentliche Treibstoff nicht aus.“

Und auf den letzten acht Seiten lesen wir ein Interview eines „teilbefriedigten Lesers“ mit dem Autor. Hier positioniert sich Wendt und wirft Fragen auf zur weiteren Reise in die Drogenwelt des 21. Jahrhunderts.

Ein kurzweiliges, informatives Buch für alle, die sich mit den Themen „Drogen gestern, heute und morgen“ beschäftigen wollen, ein Buch, das viele Facetten rund um das Thema „Rausch und Realität“ abbildet. Geschrieben in einem Stil, der auch jeden Sprachnerd wohlwollend zufrieden stellen dürfte.

FAZIT: Jeder ist für seine Genussfähigkeit selbst zuständig. Also – ein Kännchen grünen Tee aufgießen und sich mit Kristall einen Rausch anlesen.

Alexander Wendt, Kristall, Tropen-Sachbuch, Klett-Cotta, 2. durchgesehene Auflage 2019, 17,95 Euro.

Kateryna Kyrychenko
Fachstelle für Suchtvorbeugung
Arbeitskreis Jugend- und Drogenberatung im Kreis Warendorf e.V